Verflochtene Ungleichheiten. Bildung und Religion in der deutschen sozialistischen Gesellschaft der 1970er Jahre
Projektskizze
Schulen sind bedeutende soziale Orte moderner Gesellschaften. Die Erwartungen, die Menschen an sie richten, und die Bedeutungen, die sie ihnen geben, gingen und gehen weit auseinander. In der Deutschen Demokratischen Republik sollten Kinder und Jugendliche in ihnen unter anderem politische Weltbilder einüben, soziale und geschlechtliche Barrieren überschreiten sowie staatlich-ökonomischen Anforderungen und Zielen nachkommen.
Im Mittelpunkt meiner Beschäftigung mit den sozialistischen Schulen steht das in den 1970er Jahren über sie Geschriebene und Gesagte – die Erzählakte. Durch sie entsteht eine historiographische Textur der vergangenen Bildungslandschaft, die nach den Verhandlungen von Ungleichheiten befragt wird.
Veröffentlichung
Aufsatz
Christliche Jugendliche im Labyrinth der Ungleichheiten. Wege durch
die sozialistische Bildungslandschaft der 1970er Jahre
In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte,
75/2023, S. 445–484.
(ISBN: 978-3-402-18624-4)
Homepage des Archivs für mittelrheinische Kirchengeschichte, Band 75
Projektentwicklung
Das Projekt, die in ihm entwickelten Forschungsperspektiven und die inhaltlichen Auseinandersetzungen, sind von der Corona-Pandemie seit März 2020 nicht zu trennen. Nachdem im ersten Jahr (2019) viele Vorarbeiten und Vorrecherchen erledigt werden konnten sowie ein Interviewkonzept für Oral-History-Zugänge konzipiert worden war, unterbrachen die Einschränkungen im Zuge der Ausbreitung des Virus‘ alltägliche Forschungsroutinen und gewohnte Voraussetzungen historischen Arbeitens. Unter anderem die Schließung der Archive, lange Anmeldefristen und weitreichende Unsicherheiten bei Oral-History-Interviews verzögerten nicht nur den Arbeitsprozess, sondern sie veränderten auch die Herangehensweise an das Thema, die Auseinandersetzung mit Bildungswegen, die Möglichkeiten und Perspektiven historiografischer Forschung.
Am Ende des Projektes sehe ich es als meine Aufgabe, über diese Veränderungen kritisch nachzudenken und Rechenschaft abzulegen. Denn es ist unumgänglich, dass die ursprünglichen Forschungsziele angepasst werden müssen.
Eine wichtige Erkenntnis im Arbeitsprozess kristallisierte sich nach den ersten Sichtungen staatlicher Dokumente heraus: die Bildungsbenachteiligungen christlicher Kinder und Jugendlicher können nicht ohne die generellen Ungleichheiten in den Bildungsinstitutionen beschrieben werden. Daher verschob sich im Laufe des Jahres 2021 die Perspektive auf die Deutung und Bedeutung sozialer, kultureller, politischer und geschlechtsspezifischer Ungleichheiten. Religiöse Bindungen und Bekenntnisse durchzogen diese wiederum und beeinflussten Erfahrungen und Erwartungen Einzelner in der sozialistischen Gesellschaft.
Die zentralen Recherchen im Bundesarchiv (Berlin-Lichterfelde) konnten zwischen September 2021 und März 2022 durchgeführt werden. Akteneinsichten im Evangelischen Zentralarchiv ermöglichten weitere wichtige Einblicke in das Thema Ungleichheiten im sozialistischen Bildungswesen.
Schreibaufruf: Ihre Bildungsgeschichte!
Im Oktober 2020 startete im Rahmen des Projektes ein Schreibaufruf. Einen kleinen Aufruf habe ich ebenfalls im Internet umgesetzt.
Schreibaufruf: Ihre Bildungsgeschichte!
Im Vordergrund standen unter anderem folgende Fragen: Welche Erfahrungen sammelten Christen bei Ihren (Aus‐ und Weiter‐)Bildungsbemühungen und –zielen, beim lebenslangen Lernen im Sozialismus? Was erlebten sie u.a. in der Schule, in Fortbildungen oder beim Studium in der DDR? Welche Erinnerungen haben sie an Bildungsübergänge? Suchten und fanden sie alternative, nicht‐staatliche Bildungsmöglichkeiten?
Ausführliche Informationen zum Schreibaufruf auf der Homepage der
Universität Erfurt:
Schreibaufruf: Ihre Bildungsgeschichte! (Universität Erfurt)
Notizen und Anmerkungen
Oft werde ich gefragt, inwieweit der Begriff Diskriminierung in den 1970er Jahren in der Verwaltung und im Alltag geläufig war. Aus der Erfahrung mit den Überlieferungen antworte ich meist, dass viele Akteure ihn verwendeten. Einen Zugang, der über mein Wissen hinausreicht, bietet das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache.
Neben der zeitlichen Verlaufskurve basierend auf dem Zeitungskorpus ist es möglich, gezielt einen Textkorpus auszuwählen – „Diskriminierung“ im Textkorpus DDR –, der ebenfalls auf offizielle, veröffentlichte Texte verweist.
Zeitungsberichte
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„Vermeintlich unterschiedliche Identitäten“
(Hanno Müller, Thüringer Allgemeine, 23.1.2020) -
„Forscher interessieren sich für Lebensläufe christlicher
DDR-Schüler“
(Meldung d. EKMD, 23.9.2020) -
„Bildungswege von Christen in der DDR“
(Hanno Müller, Thüringer Allgemeine, 25.9.2020) -
„Wachstum des Glaubens unterstützen“
(Tag des Herrn, 1.10.2020)
Projekt- und Thesenpräsentationen
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November 2019
Arbeitskreis für Katholizismusforschung, Schwerte
Titel: Zur Erforschung christlicher Bildungs(um)wege in der sozialistischen Gesellschaft. Ein Werkstattbericht
Arbeitskreis für Katholizismusforschung
Tagungsbericht auf H-Soz-Kult -
Dezember 2019
Kolloquium des BMBF-Forschungsverbundes Diktaturerfahrung und Transformation an der Universität Erfurt -
Januar 2020
Geschichtsmesse der Bundesstiftung Aufarbeitung, Suhl
Veranstaltungsseite mit der Projektübersicht
Informationen zur Geschichtsmesse -
Januar 2021
Online-Präsentation im Rahmen eines Workshops der BMBF-Verbünde -
Juli 2022
Nachwuchswissenschaftler:innen-Konferenz der DDR-Forschung
News-Beitrag auf der Homepage der Uni Bremen
Konferenzbericht auf hsozkult.de -
September 2022
Tag der thüringischen Landesgeschichte
Ankündigung via hsozkult.de -
März 2023
Trierer Tagung „Theologie und Vergangenheitsbewältigung“
Workshop: Christliche Jugendliche im Labyrinth der Ungleichheiten. Wege durch die sozialistische Bildungsgesellschaft der 1970er Jahre
Materialien
Finanzierung
Unter dem Titel Zwischen Erfahrung und Erinnerung: Bildungs(um)wege christlicher DDR-Bürger*innen von der sozialistischen Gesellschaft bis in die Gegenwart wurde das Projekt im Rahmen des Forschungsverbundes Diktaturerfahrung und Transformation durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Im Sommer 2023 finanzierte dankenswerterweise das Bistum Erfurt meine Projektstelle an der Universität Erfurt.
- BMBF-Förderung Phase 1 (01/2019–04/2023)
- BMBF-Förderung Phase 2 (10/2023–09/2025)
- Bistum Erfurt (05/2023–09/2023)
Kontaktinformationen
Für Hinweise zum Projekt bin ich stets dankbar. Ebenso freue ich mich über Rückfragen und einen regen Austausch.
E-mailadresse: ringo.mueller@uni-erfurt.de